5 Fragen an Bernhard Kowatsch: Mit Innovationen den Hunger beenden

2016 eröffnete das UN World Food Programme (WFP) seinen Innovation Accelerator in München mit dem Ziel, vielversprechende Ideen und Lösungswege für eine Welt ohne Hunger zu identifizieren, zu unterstützen und auszubauen. Wie das gelingen kann und welche Projekte bereits vor Ort erfolgreich umgesetzt werden, erklärt der Leiter Bernhard Kowatsch.

 
Bernhard Kowatsch, Leiter des WFP Innovation Accelerator in München. Twitter @BKowatsch (c) WFP Innovation Accelerator

1. Warum brauchen wir Innovationen in der Ernährungshilfe?

Wir haben in den letzten zwanzig Jahren große Fortschritte gemacht: Die Zahl der Hungernden ist seit 1990 von rund einer Milliarde auf 795 Millionen Menschen zurückgegangen, obwohl gleichzeitig die Weltbevölkerung gestiegen ist. Wenn wir allerdings mit derselben Geschwindigkeit weitermachen, dauert es sehr wahrscheinlich länger als bis 2030, um den Hunger komplett zu beenden,  wie es die Globalen Nachhaltigkeitsziele vorgeben.

Innovationen verändern bereits weite Teile unseres Lebens und wir wollen das auch dort anwenden, wo Lösungen am dringendsten benötigt werden und potenziell die größten Auswirkungen haben können bei unserem Ziel, den Hunger zu besiegen.

 

2. Welche Ideen fördert der WFP Innovation Accelerator?

Im WFP Innovation Accelerator fördern wir Innovationen, die das Potenzial haben, einen bedeutenden Beitrag im Kampf gegen den Hunger zu leisten. Die Bundesregierung unterstützt uns darin großzügig. Typischerweise beläuft sich die finanzielle Förderung pro Projekt auf 50.000 bis 100.000 US-Dollar. Vor allem unterstützen die Mitarbeiter des Accelerators auch die Projekte in den Entwicklungsländern und wir verbinden die Teams mit WFP-Programmen und Partnern vor Ort. Ein Projektbeispiel ist „Building Blocks“. Basierend auf „Blockchain“, einer Technologie für dezentrale Transaktionen, könnte diese Innovation langfristig in der Hilfe per Bargeld und Gutscheinen Geld einsparen, aber auch die Transparenz und Sicherheit für Partner erhöhen und gleichzeitig eine nahtlose Integration zwischen verschiedenen Hilfsorganisationen und Regierungen ermöglichen. Ein anderes Beispiel sind Hydrokulturen, mit denen in Krisensituationen Nahrungsmittel lokal produziert werden können – unabhängig von Bodenflächen und dank effizienter Wassernutzung, im Extremfall sogar mitten in Wüstenregionen.

 

3. Wie können diese Ansätze Jobs für Bedürftige schaffen?

In vielen Ländern, wo WFP Hilfe leistet – beispielsweise in und um Syrien – haben wir es mit anhaltenden Krisen zu tun. Wir wollen nicht nur die dringendsten Bedürfnisse der Betroffenen stillen, sondern sie auch langfristig in die Lage versetzen, für ihre Ernährung selbst sorgen zu können. Hier entwickelt WFP zusammen mit Partnern innovative Modelle, indem wir beispielsweise gemeinsam mit Unternehmen den Hilfsbedürftigen Zugang zum internationalen Wirtschaftsmarkt über das Internet verschaffen.

 

4. In einem WFP-Projekt erlernen Libanesen und Geflüchtete aus Syrien digitale Kompetenzen, um ihre beruflichen Chancen zu erhöhen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Die Teilnehmer dieses „Tech for Food”-Projekts haben alle unsere Erwartungen übertroffen. Innerhalb von sechs Wochen schaffen es die jungen Erwachsenen – davon über die Hälfte Frauen – digitale Kompetenzen zu erwerben, die internationalen Qualitätsstandards entsprechen. Durch Praktika in den Bereichen Datenanalyse, Bildbearbeitung, Machine Learning und Webdesign können sie diese anwenden und verfeinern. Wenn man bedenkt, dass WFP denjenigen Menschen hilft, die am bedürftigsten sind, oft keine abgeschlossene Schulbildung haben und hier zum ersten Mal mit einem Computer in Berührung kommen, ist das sehr beachtlich. Letzte Woche haben wir in Beirut den Abschluss der zweiten Runde mit 180 Absolventen gefeiert und damit über 900 Menschen unterstützt. Aber das ist erst der Anfang – 2017 werden 1.000 weitere Teilnehmer unser Training in verschiedenen Landesteilen im Libanon durchlaufen und wir planen, das Programm auf Jordanien und den Irak ausweiten.

 

5. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?

Gemeinsam mit unseren Unterstützern, wie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Auswärtigen Amt, und dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überlegen wir bereits seit einiger Zeit, wie innovative und nachhaltig wirksame Lösungsansätze für die heutigen Krisen zum Einsatz kommen können. In einem Expertenworkshop in unserem Innovation Accelerator in München wurde eine erste Idee im Bereich „Digitale Arbeit“ geboren. Dann haben wir mit den Betroffenen selbst und auch Unternehmen und Partnern das Konzept erarbeitet und vor Ort verfeinert. Dieser Ansatz, mit den Menschen vor Ort Innovationen zu entwickeln, ermöglicht es uns noch schneller neue, innovative Lösungen anzubieten.

 

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