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Auf dem Vorgipfel zum UN-Ernährungsgipfel (FSS) in Rom ging es um die Umgestaltung der Welternährungssysteme. Wie bringt man das einer breiten Öffentlichkeit nahe? Fragen an Paul Newnham, den Direktor des Sustainable Development Goal (SDG) 2 Advocacy Hub.
Die Kommunikationsstrategie des Vorgipfels zum UN-Ernährungsgipfel (FSS) setzte stark auf globale Beteiligung – auch über soziale Medien. Wie erfolgreich war dieses Konzept? Liegt hierin die Zukunft der Weltordnungspolitik?
Das Konzept einer Kombination von beidem ist sehr interessant. Am Vorgipfel nahmen 500 Delegierte persönlich teil, dazu kamen 20.000 online registrierte Teilnehmer und mehr als 200.000 Zuschauer. In der Vergangenheit nahmen einige tausend Personen vor Ort im Saal und etwa tausend Personen online teil. Dieser Vorgipfel war also sehr erfolgreich. Die Social-Media-Kanäle des UN-Ernährungsgipfels wurden vor etwas mehr als einem Jahr eingerichtet. Inzwischen folgen uns 30.000 Menschen auf Twitter und 13.000 auf Instagram – das zeigt, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Und die Wachstumsraten liegen bei 300 % über alle digitalen Plattformen hinweg. Es war also sehr beeindruckend zu sehen, wie durch die Nutzung dieses hybriden Formats und der digitalen Plattformen die Möglichkeit geschaffen wurde, Menschen zusammenzubringen.
Waren Sie in Rom dabei?
Ja, und viele Kollegen, die in ihren Heimatländern online am Vorgipfel teilgenommen haben, berichteten mir, dass ihre Online-Erfahrung ganz hervorragend war. Sie sagten, dies sei eine der besten Online-Erfahrungen bei einem Gipfel gewesen, die sie je gemacht hätten. Einerseits ist es ein Vorteil, im Saal zu sein, weil so Gespräche am Rande der Konferenz möglich sind. Andererseits ist es aber auch ein Vorteil, wenn Inhalte praktisch direkt auf jedes Gerät in aller Welt übertragen werden können.
Dienen die sozialen Medien lediglich zur Herstellung von Verbindungen, oder sind sie mehr als das?
Ich denke, sie sind mehr. Die sozialen Medien bieten den Menschen die Möglichkeit, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. So entsteht ein Raum, in dem verschiedene Stimmen zu Wort kommen und gehört werden, was in der heutigen Welt wirklich wichtig ist – insbesondere für Frauen, Bauern, indigene Völker, Jugendliche und andere Gruppen, die sich mit Themen wie Ernährungssystemen und den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) befassen. Der Gipfel wurde als „Gipfel der Menschen“ bezeichnet, und es wurde großer Wert darauf gelegt, verschiedenste Gruppen einzubeziehen und viele Stimmen zu hören. Und genau das machen die sozialen Medien möglich. Die Menschen können auf Inhalte reagieren, sie können sie kommentieren und teilen.
Sind Sie mit der Resonanz auf den Vorgipfel in den klassischen Medien zufrieden?
Sehr zufrieden. Das Ziel war es, den Diskurs über Ernährungssysteme zu intensivieren und die Öffentlichkeit wirklich über die Komplexität von Ernährungssystemen aufzuklären sowie den Gedanken zu betonen, dass wir alle zusammenkommen, um große Veränderungen zu bewirken. Mehr als 3.000 Artikel in einer Vielzahl von Sprachen aus allen Teilen der Welt wurden über den Gipfel veröffentlicht. Das war eine ziemlich große Reichweite.
Sind Sie bei Ihrer Kampagne auch auf Schwierigkeiten gestoßen, würden Sie jetzt etwas anders machen?
Eine der Herausforderungen ist natürlich die Zeit. Wir hätten wahrscheinlich schon viele Jahre früher damit beginnen sollen. Wie können wir das Bewusstsein der Menschen für Ernährungssysteme schärfen?
Beim Thema Ernährungssysteme denken viele Menschen an Hunger oder Armut. Aber wenn wir die Ernährungssysteme umgestalten, haben wir wirklich die Chance, in allen Bereichen der 17 SDGs Fortschritte zu erzielen.
Das Konzept der Ernährungssysteme ist noch nicht in den Köpfen der Menschen verankert. Wir haben also einen langen Weg vor uns, um den Menschen zu zeigen, was sie in ihrem Haushalt, in ihrer Gemeinde, in ihrem Land tun können, um die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und verteilen, zu verändern. Das braucht Zeit. Bei unseren Kampagnen ist uns oft nicht bewusst, dass es viel Zeit braucht, bis die Dinge bei den Menschen ankommen.
Was noch?
Ein wichtiger Punkt hat mit Sprache zu tun. In unserem Bereich verwenden wir oft eine technische Sprache, die sich auf die Wissenschaft stützt. Das ist sehr wichtig, aber wenn Menschen über Ernährungssysteme und Lebensmittel sprechen, verwenden sie oft eine andere Sprache. Man geht nicht in ein Restaurant und stellt wissenschaftliche Fragen. Vielmehr spricht man zum Beispiel über Aroma und Geschmack. Einer der Gründe, warum wir die Kampagne „Gutes Essen für Alle“ entwickelt haben, war, dieses Konzept auf verständliche Art und Weise zu vermitteln und wirklich alle Menschen aus aller Welt einzubeziehen. Wir wollen, dass die Menschen verstehen und erkennen, welches Handlungspotenzial in unseren Ernährungssystemen und in der Art und Weise, wie wir Lebensmittel konsumieren und verteilen, steckt. Sich mit Ernährung zu befassen, bedeutet für die Menschen im Alltag aber, sich über Lebensmittel zu unterhalten, die sie gerne essen, die erschwinglich und gut erhältlich sind. Wir müssen sie zum Nachdenken darüber anregen, was gute Lebensmittel ausmacht. Es geht nicht nur darum, dass ein Lebensmittel gut schmeckt, preiswert ist oder gut für den Körper ist – man muss alle Dimensionen berücksichtigen. Und hier kommt meiner Meinung nach ein Systemansatz ins Spiel, bei dem man anfangen kann, darüber nachzudenken: Okay, was bedeutet das? Wir müssen immer bedenken, dass die Welt sehr vielfältig ist und es daher nicht die eine Antwort gibt.
Ein Freund von mir sagte: Es gibt sieben Milliarden Ernährungsexperten auf der Welt, weil jeder einzelne Mensch ein Experte für das ist, was er mag.
Es geht nicht unbedingt darum, sie alle dazu zu bringen, uns zuzustimmen. Was wir tun müssen, ist, sie darüber aufzuklären, dass die Entscheidungen, die sie treffen, Auswirkungen auf ihre Gesundheit, auf das Klima, auf den Planeten und auch auf den Wohlstand und die Lebensgrundlagen der Menschen haben können.
Sie haben mehrmals den Begriff „System“ genannt, der für Kampagnen herausfordernd sein könnte – ist es doch ein abstrakter Begriff, nicht wahr?
Ja...
... wie erklären Sie das also den sieben Milliarden Ernährungsexperten?
Wir haben eine Kampagne gestartet, in der wir die Menschen gebeten haben, uns zu erklären, was gutes Essen für sie bedeutet. Ein Bauer, ein Küchenchef oder eine Mutter haben da ganz unterschiedliche Perspektiven. Die Idee ist, bei den Leuten ein Verständnis dafür zu schaffen, und dann kann man die verschiedenen Diskussionspunkte und Gespräche präsentieren. So wird man sie dazu bringen, einmal anders auf das Thema zu schauen. Ein Ernährungssystem umfasst alle Zusammenhänge rund um Lebensmittel. Um das zu verdeutlichen, suche ich nicht nach einer einzigen Definition, sondern versuche, den Menschen klar zu machen, dass Lebensmittel nicht einfach auf dem Teller liegen. Sie kommen von irgendwoher, werden von jemandem hergestellt. Der Weg bis zum Teller ist entscheidend.
Ist es auch wichtig, dies den Journalisten zu vermitteln? Beschäftigen sie sich genug mit den Fragen der Ernährungssysteme?
Auch die Journalisten müssen dabei unterstützt werden, diese Komplexität zu verstehen. Ich habe den Eindruck, dass die Journalisten auch die verschiedenen Perspektiven verstehen wollen. Sie wollen die wissenschaftlichen Zusammenhänge, die politischen Dimensionen und das Interesse der breiten Öffentlichkeit verstehen.
Viele Jahre lang galt der Klimawandel in den Medien und den sozialen Medien als kein großes Thema. Das hat sich mittlerweile rapide geändert. Können die Kampagnenmacher für SDG 2 etwas daraus lernen?
Auf jeden Fall. Ein Ergebnis des Ernährungsgipfels ist, dass die Menschen zu verstehen beginnen, dass Lebensmittel Teil eines Systems sind.
Beim Klimawandel besteht einer der ersten Schritte darin, die Menschen mit den verschiedenen Aspekten des Prozesses vertraut zu machen, um ihn wirklich zu verstehen. Der Ernährungsgipfel hat es uns ermöglicht, dies aus der Perspektive des Ernährungssystems zu tun.
Die verschiedenen Akteure fangen an, sich auf neue Art und Weise zu engagieren, und dabei geht es nicht nur um den Hunger oder die Landwirtschaft oder die Ernährung, sondern darum, zu erkennen, wie alles miteinander zusammenhängt und wie sich die Ernährung auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt auswirkt. Beim Klimawandel hat es einige Zeit gedauert, bis man den systemischen Zusammenhang zwischen dem Klima und allem anderen verstanden hat.
Die Klimabewegung hat durch eine einzige Person Fahrt aufgenommen: Greta Thunberg. Fehlt der Kampagne gegen Hunger und für gesunde Ernährung eine Person wie sie? Könnten Sie sich vorstellen, dass jemand wie sie sich für diese Bewegung einsetzt?
In der Klimabewegung gibt es viele Akteure, die dazu beigetragen haben, dass sie jetzt da steht, wo sie steht, und dass sie die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Ich glaube, es ist ganz entscheidend, glaubwürdige Stimmen wie Greta Thunberg oder David Attenborough zu haben. Auch im Bereich der Ernährungssysteme gibt es einige von ihnen. Aber ob wir schon so weit sind? Ich würde sagen, wahrscheinlich nicht ganz. Ob man das planen kann? Aber ich denke da wie die Stimmen zum Thema Klima: Wir wissen, dass die Landwirtschaft und die Ernährungssysteme wesentlich zum Klimawandel beitragen. Und wir müssen erkennen, dass alles miteinander zusammenhängt. Beim Gipfel sprechen wir nicht nur über ein SDG, sondern über alle 17.
Können Sie uns Genaueres zur Kampagne für den Gipfel in New York sagen?
Momentan läuft eine Countdown-Kampagne mit dem Titel #FoodSystems4SDGs, die den Zusammenhang zwischen besseren Ernährungssystemen und Fortschritten in allen Bereichen der SDGs aufzeigt. Kein Hunger ist nur eine Dimension eines Ernährungssystems. Wir müssen uns mit allen 17 befassen!
Der Gipfel findet parallel zur Generalversammlung statt. Und wieder einmal steht die Welt vor drängenden aktuellen Problemen: Waldbrände, Afghanistan, Corona. Wie wollen Sie die Aufmerksamkeit auf die Ernährungssysteme lenken?
Ernährungssysteme stehen ganz oben auf der Agenda. Wenn Sie sich den Klimawandel ansehen, werden Sie feststellen, dass die Ernährungssysteme gleichzeitig eine der größten Chancen und eine der größten Herausforderungen darstellen.
Wenn Sie sich Konflikte ansehen, werden Sie feststellen, dass sie sich auf die Ernährungssysteme auswirken – hinter jedem Konflikt steht eine unsichere Ernährungslage.
Und auch die Coronakrise ist eine dieser gravierenden Herausforderungen, die im Ernährungssystem ihren Anfang genommen hat und sich auf viele Aspekte der Ernährung, wie zum Beispiel die Verteilung, auswirkt. All diese Megaräume sind bereits mit Ernährungssystemen verbunden. Deshalb müssen wir verstehen, was uns die Wissenschaft lehrt. Gibt es Aktionen und Aktionsbereiche? Es gibt fünf Aktionsbereiche, die „Action Tracks“, die Bestandteil des Gipfels sind. Während des Gipfels werden Bereiche für Konvergenz und Aktionen identifiziert, in denen sich die Menschen zusammenfinden, um den Wandel voranzutreiben. Bei unserer Kampagnenarbeit achten wir darauf, was führende Politiker sagen und was auf dem Gipfel beschlossen wird, um die Menschen zu unterstützen und zu ermutigen, sich im Alltag für einen Wandel der Ernährungssysteme einzusetzen, und um mit den führenden Politikern zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass diese Lösungen auch wirklich wirksam sind und umgesetzt werden.