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Ein Artikel von Claudia Jordan
Entwicklungszusammenarbeit bringt Deutschland nichts? Da können die Bayerischen Landfrauen etwas anderes berichten. Ein Besuch bei einem Training mit Kleinbäuerinnen aus Kenia, Sambia und Uganda in Herrsching am Ammersee.
Es ist eng in der Backstube im Untergeschoss des Hauses der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching am Ammersee. Die Oktobersonne ist bereits untergegangen, und Bäuerinnen aus Kenia, Sambia und Uganda, die in diesen Tagen auf Einladung von BBV-Landfrauen Internationale Zusammenarbeit (BBV-LIZ), einer gemeinnützigen Gesellschaft des Bayerischen Bauernverbandes, hier zu einem Führungstraining zusammengekommen sind, stehen dicht gedrängt mit weißen Schürzen vor der Arbeitsfläche. Nach einem langen Seminartag wollen sie zur Entspannung backen. Igelkekse, also Butterkekse mit Schokoladenglasur und Streuseln. Elke Sommer, die hier arbeitet und die Frauen auf Englisch beim Backen anleitet, entscheidet sich, das Wort „Streusel“ nicht zu übersetzen, sondern es mit ihrem bayrisch gerollten „R“ auf Deutsch zu sagen. Das sorgt für Erheiterung. Auf einem Handy spielt eine der Frauen aus Kenia einen fröhlichen Song auf Kisuaheli und übersetzt die Zeilen des Sängers: „Wenn es auf dem Land Probleme gibt, ruf mich an, ich komme vorbei“ und sie ermuntert einige Frauen zum Tanz.
Davon unbeeindruckt bestreicht Phassy Mmbone konzentriert die Kekse. Die 65-jährige Bäuerin aus Kakamega County in Westkenia bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Auf ihrem rund einen Hektar großen Hof in Kenia hält sie Milchkühe, Ziegen, Hasen, Hühner, Fische und züchtet Würmer und Fliegen als Tierfutter. Zudem hat sie Honigbienen und baut Gemüse wie Karotten an. „Ich bin eine leidenschaftliche Bäuerin“, sagt sie. 2023 wurde sie in ihrer Heimat als beste Bäuerin des Jahres ausgezeichnet.
Nach der Scheidung zog Mmbone fünf Kinder alleine groß, zwei davon adoptiert, die unter anderem als Anwältin, Ingenieurin oder Universitätsdozent auf der ganzen Welt leben und arbeiten. Darauf ist sie mächtig stolz. „Ich glaube daran, die Familie zu unterstützen.“ Manchmal ist sie auch Familie für andere, etwa, wenn sie mit einer eigens gegründeten Organisation Perspektiven für Menschen mit Aids und HIV schafft, die teils von ihren Familien verstoßen werden. Mmbone ist zudem Koordinatorin der „Women Farmers Association of Kenya (WoFaAK)“ in Westkenia, ein kenianischer Verband mit rund 5.000 Bäuerinnen, in dem sie sich zu Marktinformationen und Anbaumethoden austauschen und gegenseitig unter die Arme greifen können. Mmbone leitet dort unter anderem eine Gruppe für Menschen mit Behinderung.
In Herrsching bildet sie sich nun zwei Wochen lang zum Thema Führung weiter. „Das Training hat eine sehr gute Wirkung“, sagt Mmbone. Wichtige Themen wie Konfliktlösung würden adressiert, ebenso die Strukturierung eines Verbandes. „Die Unterstützung erfolgt nicht nur auf organisatorischer, sondern auch auf persönlicher Ebene. Es ist ein individueller Test für jede Teilnehmerin und jede wird mit ihren eigenen Konzepten herauskommen.“
Seit 2023 lädt BBV-LIZ Bäuerinnen vorwiegend aus Kenia, aber auch aus weiteren afrikanischen Ländern zu Internationalen Führungsworkshops nach Herrsching ein. Zwei Wochen lang tauschen sich dieses Mal 18 Teilnehmerinnen über ihre Arbeit aus, machen Rollenspiele, schulen ihr Auftreten und besuchen Höfe von bayerischen Bäuerinnen im Umland. Unterstützt wird BBV-LIZ seit 2017 von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – zunächst über das Globalvorhaben Grüne Innovationszentren in der Agrar- und Ernährungswirtschaft und seit 2023 mit Zuschüssen des Globalvorhabens Stärkung bäuerliche Organisationen für nachhaltige Agrarentwicklung. Dahinter steht die BMZ-Sonderinitiative „Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme“ (SI AGER).
Zentrales Element des Projekts der BBV-LIZ ist die Förderung des kenianischen Verbands WoFaAK, aus dem neben Phassy Mmbone einige Vertreterinnen am Training in Herrsching teilnehmen. BBV-LIZ unterstützte seit 2017 in Kenia maßgeblich die Entwicklung dieses Verbandes, organisierte und finanzierte Trainings für Mitglieder und gewählte ehrenamtliche Vertreterinnen. BBV-LIZ schulte sie darin, wie sie ihre Interessen vertreten, ihr Einkommen steigern und die Ernährung für sich und ihre Familien sichern und verbessern können. Damit leistete BBV-LIZ gemeinsam mit WoFaAK auch einen wichtigen Beitrag zur ländlichen Entwicklung vor Ort. WoFaAK konnte mithilfe von BBV-LIZ ihren Verband in 12 Counties in West- und Zentralkenia sowie auf nationaler Ebene ausbauen. „Es ist uns gelungen, dass die Frauen den Mehrwert ihres Verbandes sehen und sie merken, dass ihre Stimme immer stärker wird – und das auf allen Ebenen, von der lokalen Mitgliedsgruppe bis zum Landesvorstand“, sagt Projektleiterin Angelika Eberl.
BBV-LIZ förderte auch die landesweite Sichtbarkeit von WoFaAK in Kenia und finanzierte fünf Folgen der kenianischen Fernsehsendung „Shamba Shape Up“: In der Reality Show, in der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wichtige Tipps für eine effizientere Landwirtschaft geben, hatten Mitglieder von WoFaAK die Möglichkeit, die Organisation und ihre Arbeit vorzustellen. Die Bildungs-Sendung, die mehrfach ausgestrahlt wurde und ein Millionenpublikum erreicht, würdigt und unterstützt die Rolle und Aufgaben von Frauen in der Landwirtschaft.
Nach knapp neun Jahren Förderung läuft das Projekt der BBV-LIZ Anfang 2026 aus. Projektleiterin Eberl freut sich, dass WoFaAK als Verband auch politisch relevant sei. Das zeige sich daran, dass Behörden auf lokaler und auf County-Ebene mit den Bäuerinnen zusammenarbeiteten und diese in Ausschüssen und Gremien vertreten seien. „Dieses Pfund haben die Frauen erkannt, es liegt jetzt an ihnen, das weiterzuführen.“
Für Phassy Mmbone aus Kenia ist klar, dass die Bäuerinnen sich weiter organisieren werden. Als Koordinatorin von WoFaAK für Westkenia will sie Mitglieder noch stärker aktivieren und den Verband in die Zukunft führen. Dabei arbeitet sie eng mit der nationalen Führung zusammen. Das Führungstraining in Herrsching gibt ihr zusätzlich wichtige Impulse.
Während der Hofbesuche in Bayern habe sie die klare Aufgabenteilung auch innerhalb der Familien beeindruckt. Wenn sie zurück in Kenia sei, wolle sie sich mit ihren Kindern zusammensetzen, um gemeinsam einen Plan zu entwickeln, wie sie ihren Hof für Touristen öffnen könne und jeder sich auf seine Weise beteilige. „Ich möchte mich neu aufstellen“, sagt Mmbone.
Projektleiterin Angelika Eberl freut das: „Was ich so respektiere und mich fasziniert, ist der Wissenshunger insbesondere der älteren Frauen, die wenig Bildungsmöglichkeiten hatten und teilweise erstmals in ihrem Leben ein Training erhalten.“
Die Frauen sind bereits eine Woche in Herrsching – Zeit für eine erste Bilanz. Sie beugen sich im Seminarraum über bunte Karten, stehen vor Pinnwänden und diskutieren, was sie bislang gelernt haben. Jeweils eine Frau aus Kleingruppen trägt die Ergebnisse in großer Runde vor. Fazit: Besonders zentral seien Teamarbeit und Zusammenhalt. „Das Netzwerken macht uns zur Einheit und hilft uns, als Frauen eine Stimme zu haben“, fasst es eine Teilnehmerin aus Kenia zusammen. Es folgt Lob aus der Runde für ihren Vortrag: anfangs habe sie still in der Gruppe gesessen – binnen weniger Tage sei sie aufgeblüht, spreche nun frei vor den anderen. „Das Training in Herrsching ist ein ‚Safe Space‘“, erklärt Angelika Eberl. Hier könnten die Frauen frei reden, es gebe eine Vertrauensbasis. Sie erhielten Feedback der anderen Teilnehmerinnen und könnten daran wachsen. „Die Frauen können sich gegenseitig moralisch stärken“, sagt Eberl.
„Was ich hier lerne, kann ich in allen Lebensbereichen anwenden“, bestätigt Esther Mweemba aus Sambia. Sei es bei ihr selbst, ihrer Familie, der Dorfgemeinschaft oder ihrer Organisation.
Die 35-jährige Landwirtin und vierfache Mutter ist stellvertretende Vorsitzende des Frauenverbands Nkoka Women in Agro Business (NWAB), der rund 6.000 Mitglieder zählt. Der Verband wird von der Andreas Hermes Akademie (AHA) ebenfalls im Rahmen des Globalvorhabens Stärkung bäuerlicher Organisationen bei der Organisationsentwicklung unterstützt. Die AHA begleitete die Organisation bei der Registrierung, dem Aufbau einer Struktur, der Führungsebene, bei der Formulierung von und dem Lobbying für ihre eigenen Ziele. „Wir wollen das Narrativ von Landfrauen verändern”, sagt Esther. „Wir sind nicht nur für die heimische Produktion da, sondern wollen daraus ein Geschäft machen, Geld verdienen, unsere Kinder zur Schule schicken. Unser Verband will Frauen helfen, sich finanziell weiterzubilden, ein Netzwerk für Austausch sein,” so Esther.
Ein Mann ist auch Teil der Gruppe – es ist der Trainer Patrick Mpedzisi aus Simbabwe, der die Frauen auf ihrer Studienreise begleitet. Für ihn sind starke Frauen in der Landwirtschaft normal, denn er ist bei seiner Großmutter aufgewachsen, die in seiner Heimat Ökolandbau betrieb.
„Wir wollen das Narrativ von Landfrauen verändern”
Esther Mweemba, stellv. Vorsitzende NWAB Sambia
Wie wichtig es ist, dass sich die Frauen gegenseitig unterstützen, weiß Esther aus eigener Erfahrung. Als ihr Ehemann einen Schlaganfall hatte, starben gleichzeitig ihre knapp 200 Schweine an Schweinefieber. Sie konnte nur noch zusehen. Mittlerweile baut sie vor allem Mais an und holt sich hier Unterstützung von Frauen aus anderen Kooperativen, die ihr mit einem Traktor bei der Ernte helfen. „Wie die Bayerischen Landfrauen sich gegenseitig unterstützen, Freundschaften bilden, voneinander lernen und sich gegenseitig tragen – das wollen wir in unserem Verband auch machen“, sagt Mweemba.
Von den Bayerischen Landfrauen beeindruckt zeigt sich auch Teilnehmerin Jillian Acan aus Nord-Uganda. Die 31-jährige Landwirtin mit 110 Hühnern ist Mitglied im Verband Uganda National Young Farmers Association (UNYFA). Der Verband wurde von dlv-LandFrauen gGmbH, der zum Deutschen LandFrauenverband e.V. (dlv) gehört, mit Zuschüssen des Globalvorhabens Stärkung bäuerlicher Organisationen in Interessenvertretung und Führungskompetenzen gestärkt. „Es ist toll, zu sehen, wie die Deutschen Landfrauen ihre Arbeit und ihre Höfe lieben“, sagt Acan. Am Wochenende besuchte sie Höfe mit 160 Kühen und 200 Ziegen. Fotos auf ihrem Handy zeigen sie und die anderen Frauen, wie sie Melkanlagen und Futtertröge begutachten und Traktoren besteigen. „Wenn ich zurückgehe nach Uganda, möchte ich den anderen Landfrauen das Wissen weitergeben, das ich hier zu Tiernahrung und -haltung gelernt habe“, sagt sie. Etwa, die eigenen Hühner besser vor Krankheiten zu schützen, indem sie sie in einem abgegrenzten Bereich halte.
Weil Lernen keine Einbahnstraße ist und damit ein echter Austausch entsteht, reisen einige Bayerische Landfrauen im Rahmen des Programms auch nach Kenia. Dort besuchen sie ebenfalls Höfe, sind bei politischen Veranstaltungen und Netzwerktreffen zu Gast und lernen von der Solidarität und dem Mut der kenianischen Bäuerinnen, für ihre Sache einzutreten.
An einem Nachmittag kommen zwei Bayerische Landfrauen aus dem Umland ins Tagungshaus, um sich mit den Besucherinnen auszutauschen. Die Bayerische Landfrau Anita Weber ist 2024 mitgereist. Die 58-jährige Milchbäuerin aus Pähl im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau begleitete mit weiteren bayerischen Bäuerinnen eine BBV-LIZ-Delegation. Ein Höhepunkt war der Besuch des ersten Landfrauentages der WoFaAK-Mitglieder in Chuka Town im County Tharaka Nithi nahe des Mount Kenia. Dort versammelten sich hunderte Bäuerinnen aus der Region, um sich über landwirtschaftliche Praktiken, Marktpreise, sowie Gesundheit oder Versicherungen auszutauschen – ein beeindruckendes Bild, wie sie sagt. „Diese Frauen sind unwahrscheinliche Alleskönnerinnen“, stellt Weber bewundernd fest. „Sie tragen auf den Feldern einen Hauptteil der Landwirtschaft, versorgen die Familien.“ Viel werde von Hand gearbeitet – „die Gegensätze sind teilweise schon krass“, sagt sie mit Blick auf den Zugang zu Landmaschinen. Dennoch gebe es auch viele Gemeinsamkeiten: „Die Sorge um die Tiere, um die Familie, was wächst, wie das Wetter ist und Freude über eine gute Ernte.“
Vor dem gemeinsamen Verzehr der am Vorabend gebackenen Igelkekse singen alle ein Geburtstagsständchen für zwei kenianische Teilnehmerinnen. „Ich bin süße 16“, scherzt die eine. Dann widmen sich Ursula Fiechtner und Maria Lidl, stellvertretende Kreisbäuerin von Weilheim-Schongau und die Frauen wieder ernsteren Themen. Sie berichten von den Themen der Landfrauen in Bayern – politische Teilhabe, soziale Absicherung für Landwirtinnen bei Scheidung und in der Rente, Hofnachfolge, mentale Gesundheit und Arbeitsbelastung. Alles Themen, die auch die Bäuerinnen in Kenia, Sambia und Uganda beschäftigen. „Allein ist es schwierig“, sagt Maria Lidl. „Wenn du einen Verband hinter dir hast und andere Frauen das gleiche wollen – die Gemeinschaft stärkt einen und bringt einen vorwärts.“
„Das hebt uns auch im Ansehen in der Region, dass wir nicht nur von Haustür zu Haustür denken.“
Ursula Fiechtner, Kreisbäuerin des Bayerischen Bauernverbands von Bad Tölz-Wolfratshausen
Ebenso wichtig sei die Beziehung zu Presse und Öffentlichkeit, um sich zu vernetzen. Über Ursula Fiechtner berichtete unter anderem schon die Süddeutsche Zeitung. Einmal im Monat bietet sie nämlich Menschen mit Demenz und deren Angehörigen an, ihren Hof zu besuchen. Es ist eine „Auszeit“ auf dem Land mit Stallgeruch, Tiere Streicheln und Entspannen bei Kaffee und Kuchen. Ebenso vermietet Fiechtner Ferienwohnungen.
Auch kenianische Bäuerinnen waren schon bei ihr auf dem Hof. Davon zeugt ein Foto, das bei ihr zuhause an der Wand hängt – die Gruppe auf ihrem mit Geranien geschmückten Balkon. „Ich habe heute meinem Feriengast von dem Projekt erzählt“, sagt sie, als der Termin mit den Bäuerinnen zu Ende ist. „Die Menschen sind ganz überrascht, wenn wir oberbayerischen Frauen mit Kenia zusammenarbeiten. Das freut mich, weil wir auch selbst unterschätzt werden. Das hebt uns auch im Ansehen in der Region, dass wir nicht nur von Haustür zu Haustür denken.“
Von Claudia Jordan
👉 LandFrauen International Uganda
👉 GIZ - GV Stärkung bäuerlicher Organisationen für nachhaltige Agrarentwicklung