Frauen in der Klimakrise
Bevölkerungswachstum, mangelnde Rechtsstaatlichkeit, weitverbreitete Korruption und infolge des Klimawandels immer knapper werdende natürliche Ressourcen schüren einen rücksichtslosen Konflikt in der Sahelregion. Die Routen der nomadischen Fulani-Hirt:innen werden zunehmend von den Farmen der vorwiegend christlichen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern versperrt. Sie sind auf das Land angewiesen, um ihre Familien zu ernähren. Während sich die Subsistenzwirtschaft immer weiter ausbreitet, schrumpft der Raum für traditionelle Wanderbewegungen.
Die Frauen am Tschadsee sind besonders von der volatilen Sicherheitslage und der infolge des Klimawandels veränderten Wettermuster betroffen: Da die Selbstversorgung ihrer Gemeinschaften zunehmend schwieriger wird, müssen sie längere und gefährlichere Wege zurücklegen, um an Ressourcen wie Wasser oder Holz zu kommen. Zugleich sind das von Frauen über Generationen weitergegebene Wissen und ihre Erfahrungen unerlässlich, um Klimakatastrophen frühzeitig zu erkennen und die Resilienz ihre Gemeinschaften nachhaltig zu stärken. Sie haben daher eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung geeigneter Anpassungs- und Abmilderungsstrategien angesichts der Klimakrise inne..
Eine Frau auf dem Weg zu ihrer Farm in dem Dorf Bare am Tschadsee (Nigeria). Einige Teile des Sees sind bereits ausgetrocknet, sodass die Frauen immer weitere Wege zurücklegen müssen, um an Wasser zu kommen. Auch zögern die Bewohner:innen des benachbarten Dorfes Dasso, zu ihren Farmen zurückzukehren, nachdem es von Fulani-Nomaden zerstört wurde. Dies belastet die ohnehin schon knappen Nahrungsmittelressourcen der Sahel-Region zusätzlich.
Halima mit ihrem Lieblingskalb (Andamawa, Nigeria). 85 Prozent der Kinderarbeit auf dem afrikanischen Kontinent findet im Landwirtschaftssektor statt (ILO). So arbeiten rund 73 Millionen Minderjährige – jedes fünfte afrikanische Kind – vor allem auf dem Land ihrer Familien und in Familienbetrieben. Sie werden hauptsächlich in der Fischerei und Palmölproduktion, als Viehhirt:innen oder Erntehelfer:innen eingesetzt.
Frauen im nigerianischen Staat Andamawa am Tschadsee. Der Klimawandel bedroht besonders die Lebensgrundlagen der weiblichen Bevölkerung: Frauen machen nicht nur die große Mehrheit der weltweit in Armut lebenden Menschen aus. Auch leisten sie 50 bis 80 Prozent der globalen Lebensmittelproduktion. Dennoch gehören ihnen weniger als zehn Prozent des genutzten Landes (UN). Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sind sie stark von den lokalen natürlichen Ressourcen abhängig und daher von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen.
Eine Szene im Lager der Fulani-Nomaden: Die Kinder frühstücken vor dem Aufbruch gen Westen Richtung Kiri (Andamawa, Nigeria). Die Fulani ziehen mit ihrem Vieh durch die Sahelregion, wo sich der Konflikt um Weideland und Wasser zwischen den vorwiegend christlichen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, und den Wanderhirt:innen fortwährend zuspitzt. In Notzeiten arbeiten Frauen und Mädchen oft zusätzlich, um überlebensnotwendige Ressourcen für die Gemeinschaft zu beschaffen. Dies lässt weniger Zeit für Bildung und einen eigenständigen Einkommenserwerb.
Ein junges nigerianisches Mädchen im Flüchtlingslager Dar es Salam im Tschad: Das Lager beherbergte rund 15.000 Geflüchtete, die vor den Boko Haram im Nordosten Nigerias Schutz suchten – die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Auf der Flucht vor Konflikten und Naturkatastrophen bleibt das Menschenrecht auf Bildung oft links liegen: 2018 hatten laut UNCHR vier von fünf minderjährigen Flüchtlingen keinen gesicherten Zugang zu Bildung.
Der Fotograf
Andy Spyra (* 1984 in Hagen) ist ein deutscher Fotograf und Fotojournalist. Bekannt wurde er durch seine meist in Schwarz-Weiß gehaltenen Fotografien aus Krisenregionen. Im Frühjahr 2020 bereiste er als einer der letzten Reporter vor Ausbruch der Corona-Pandemie die Sahelzone. Diese Region ist seit Jahren heftig umkämpft und von Dürren, Hungersnöten, Armut und Gewalt geprägt.
Mit seinen Fotos dokumentiert Spyra die dramatischen Auswirkungen der globalen Erwärmung in der Region. Seine Arbeit macht deutlich, wie der Klimawandel zum Brandbeschleuniger für Terror, ethnische Konflikte und Verteilungskämpfe um Wasser und Land wird, und wie Gewalt und Hunger Millionen von Menschen in die Flucht treiben. Weitere Eindrücke aus der Sahelzone finden sich hier.
Spyras Fotos erscheinen unter anderem im TIME Magazine, in GEO, im Stern, in der FAZ, im SPIEGEL, der Zeit und The New Yorker.