Die immensen Potenziale des Radios

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Die weltweite Viruspandemie zwingt uns, neue Wege zu gehen. Doch auch Altbewährtes kommt zum Zuge: Das Radio bewährt sich seit vielen Jahrzehnten als zuverlässiges Kommunikationsmittel in Afrika. Mark Leclair von unserem Partner Farm Radio International würde jedenfalls auf kein anderes Pferd setzen...

 

Von Mark Leclair

Mark Leclair ist Experte im Bereich Kommunikation für Entwicklung und hat 12 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Programmentwicklung, -design und -evaluierung sowie Projektmanagement und -koordination. Er hat in Ost-, Süd- und Westafrika für Farm Radio International gearbeitet und dabei an der Entwicklung von partizipatorischen Kommunikationsprogrammen mitgewirkt, die die Ernährungssicherheit und die Gesundheit der Zuhörerschaft verbessern sollen. Mark hat einen Master-Abschluss in International Affairs von der Norman Paterson School of International Affairs (NPSIA) sowie einen Bachelor-Abschluss in International Development and Globalization von der Universität Ottawa.

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Herr Leclair, die Digitalisierung ist weltweit auf dem Vormarsch, auch im ländlichen Afrika. Haben Sie keine Sorgen, mit Radio langfristig auf das falsche Pferd zu setzen?

 

Im ländlichen Afrika ist, zumindest auf absehbare Zeit, wirklich nur ein einziges Pferd im Rennen. Denn für die Landbevölkerung gibt es keine vergleichbaren Angebote. Die Stromversorgung ist unzuverlässig, die Kosten für Fernsehen und Internet sind unerschwinglich. Und die COVID-19-Pandemie zeigt uns gerade, wie prekär Wissensvermittlung von Angesicht zu Angesicht sein kann… Auch wenn die Netzversorgung für Mobiltelefone steigt, stellt das traditionelle Radio in punkto hochwertiger Informations-, Kommunikations- und Beratungsdienste im ländlichen Afrika alles in den Schatten.

Außerdem zeigt sich das Radio selbst als äußerst anpassungsfähig. In Zeiten der Digitalisierung sind sowohl Nachfrage als auch Angebot an digitalen Audio-Angeboten wie Streaming und Podcasts gestiegen.

Ein weiterer komparativer Vorteil: Man kann Radio genießen, während man anderen Aktivitäten nachgeht – wie etwa der Landwirtschaft oder der Erledigung von Hausarbeiten.

 

Adasa John in Tanzania © Frederic Courbet for Farm Radio International

In Nigeria arbeiten Sie erfolgreich mit dem Grünen Innovationszentrum zusammen. Was haben wir gemeinsam erreicht?

 

Mit interaktivem Radio erzielen wir einen deutlichen Wissenszuwachs in nachhaltigen Anbaupraktiken und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse bei etwa 60.000 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Plateau State – zu Themen wie Bodenvorbereitung, Düngerausbringung, Schädlingsbekämpfung, Marketing und COVID-19. Bislang hörten von einer potentiellen Hörerschaft von 600.000 Erwachsenen rund 280.000 Bäuerinnen und Bauern mindestens ein Drittel der insgesamt 50 Episoden. Befragungen zeigen: Die Zuhörer und Zuhörerinnen verzeichnen einen deutlichen Wissenszuwachs. Die interaktiven Radioprogramme stellen eine perfekte Ergänzung zu den Trainings vonseiten der Grünen Innovationszentren dar: Bäuerinnen und Bauern, die bereits solche Trainings absolviert hatten, haben es einfacher, die empfohlenen Maßnahmen umzusetzen. Doch die Radiosendungen haben die Wissenskluft zwischen ihnen und der restlichen Gemeinschaft verringert.

 

Wie interagieren Sie mir Ihrer Hörerschaft?

 

Wir gehen durchaus traditionelle Wege, zum Beispiel gründen wir kommunale Zuhörergruppen. Auch wollen wir unsere Zuhörerinnen und Zuhörer in die Gestaltung unserer Sendungen mit einbinden und erforschen dafür unsere Zielgruppen ganz genau. Aber natürlich ist die Verbreitung von Mobiltelefonen in ländlichen Gebieten in Bezug auf Interaktion der entscheidende Game-Changer. Eines unserer erfolgreichsten Mittel ist die Aufforderung an die Zuhörer, ihre Erfahrungen per Telefon mitzuteilen. Auf diese Weise können wir auf Fragen eingehen und weiterführende Ratschläge geben.

In Nigeria wurden mehr als 19.000 Interaktionen von fast 5.000 Einzelnummern registriert, und Beratende haben über 700 von Bauern hinterlassene Fragen beantwortet. Über 40 kommunale Zuhörergruppen mit insgesamt 742 Mitgliedern nahmen durch Treffen und Telefonate aktiv am Radioprogramm teil.

 

Madame Florence in Ghana © Farm Radio International

Auch wenn Corona viele Kommunikationswege abgeschnitten hat, können wir immer noch auf das Radio zählen. Deshalb wird unsere Partnerschaft nun auf sieben weitere Länder ausgedehnt: Côte d'Ivoire, Äthiopien, Malawi, Mali, Mosambik, Togo und Sambia. Was ist geplant?

 

Die Pandemie hat die Alleinstellungsmerkmale des Radios deutlich aufgezeigt, also: vergleichsweise kostengünstig, nahezu überall zugänglich und inhaltlich schnell und greifbar. Wir werden nun mit Dutzenden von Radiostationen zusammenarbeiten, um interaktive Programme für den ländlichen Raum in diesen Ländern zu starten. Dabei vernetzen wir Sender mit Beratungsexperten, mit bäuerlichen Organisationen und miteinander. So erhalten hunderttausende weitere Frauen, Männer und Jungbäuerinnen und -bauern Zugang zu hochwertigen Informationen aus Landwirtschaft und Gesundheit – während der Pandemie und darüber hinaus.

 

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