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Auf Einladung der Welthungerhilfe (WHH) und gemeinsam mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Dr. Bärbel Kofler haben Expert*innen aus Politik und Zivilgesellschaft im Vorfeld des G7-Gipfels in Elmau nachhaltige und effektivere Handlungsoptionen der G7-Staaten zur Hungerbekämpfung diskutiert.
Sieben Jahre nach der Verpflichtung der G7-Staaten, 500 Millionen Menschen bis 2030 aus dem Hunger zu befreien, treffen sich Vertreter*innen der Gruppe der 7 unter deutscher Präsidentschaft in diesem Juni erneut in Elmau. Seit dieser Selbstverpflichtung im Jahre 2015 ist die Zahl der Menschen, die unter Hunger leiden, jedoch kontinuierlich gestiegen – zuletzt auf bis zu 811 Millionen. Ein fatales Wirkungsgefüge aus Klimakrise, den Folgen der Covid-19-Pandemie und immer häufiger auftretenden wie auch gewaltsamen Konflikten droht die Erreichung des UN-Ziels „Kein Hunger bis 2030“ zu gefährden. Auch aufgrund des Kriegs in der Ukraine - dessen folgenschwere Auswirkungen auf die ohnehin unter Druck stehenden Nahrungsmittelpreise - muss mit einer global zunehmend angespannten Ernährungslage gerechnet werden.
Um nachhaltige und effektive Handlungsoptionen der G7 bezüglich Hungerbekämpfung vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen zu diskutieren, lud die Welthungerhilfe im Vorfeld des G7-Gipfels hochrangige Vertreter*innen aus Politik und Zivilgesellschaft zu einer perspektivreichen Online-Diskussion ein. Asja Hanano, die Leiterin der Politikabteilung der Welthungerhilfe, begrüßte über 250 Expert*innen für Entwicklungspolitik aus internationalen und nationalen Nichtregierungsorganisationen, wissenschaftlichen Einrichtungen, internationalen Botschaften und deutschen Ministerien in ihrer Willkommensrede.
Angesichts der 811 Millionen Menschen, die strukturell unter chronischem Hunger leiden, entstehen zwei primäre Aufgabenfelder für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), so Dr. Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ. Kurzfristig kann das Ministerium einen finanziellen Beitrag zur Verringerung der akuten Nahrungsmittelkrise leisten. Die kürzlich von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten 430 Millionen €, die auch für die Ernährungssicherheit in Folge des Ukraine-Kriegs bereitgestellt werden sollen, sind als ein Signal der deutschen G7-Präsidentschaft zu verstehen. Hiermit fordert die deutsche Bundesregierung die Weltgemeinschaft auf, sich entsprechend zu beteiligen und die notwendigen finanziellen Mittel für die Bewältigung der Folgen des Ukraine-Krieges auf die Ernährungssicherheit bereitzustellen. Es gilt langfristig aber auch Ernährungs- und Gesundheitssysteme aufzubauen, die in er Lage sind Schocks besser abzufedern und auf diese Weise Menschen dauerhaft vor den Auswirkungen vielfältiger Krisen zu schützen.
Dass zur Erreichung der Agenda 2030 eine Transformation der Ernährungssysteme unabdingbar ist, betont auch Dr. Stefanos Fotiou, Direktor des Büros für nachhaltige Entwicklungsziele (Office of Sustainable Development Goals), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Der UN Food Systems Summit (UN FSS) hat, bei aller Kritik,* dabei substanziell zu einem breiten Umdenken beigetragen - weg von der reinen Fixierung auf Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft hin zu einer holistischen Betrachtung der Ernährungssysteme.
Der UN FSS hat zudem erneut hervorgehoben, dass die politische Dimension der Bekämpfung von Hunger entscheidend ist, so Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.
Sowohl die G7 und G20-Staaten als auch die von Hunger betroffenen Nationen müssen ihre politischen Prioritäten klar auf die Bekämpfung von Hunger und Armut legen.
Unzureichende, auf einen zu kurzen Zeitrahmen angelegte politische Reformen, wie auch die zunehmende Anzahl zwischen- und innerstaatlicher Konflikte, sind unter anderem wesentliche Gründe warum die Selbstverpflichtung der G7-Staaten noch nicht erfüllt wurde.
Der Krieg in der Ukraine führt zu einer dramatischen Situation in den Projektländern der Welthungerhilfe, so Mathias Mogge. Sie betreffen besonders die Menschen erheblich, die bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine mit überlappenden Krisen konfrontiert waren und einen Großteil ihres Einkommens - oftmals 70-80% - für Nahrungsmittel aufbringen mussten. Hinsichtlich der gestiegenen Düngemittelpreise sind insbesondere Industriestaaten dazu aufgerufen, den mineralischen Düngereinsatz zu reduzieren und eine ökologischer ausgerichtete Landwirtschaft zielstrebig voranzutreiben.
Ein konkretes Beispiel in der Diskussion ist die Situation in Kenia. In dem von Getreideimporten abhängigen Land treffen die gestiegenen Nahrungsmittelpreise auf eine extreme Dürreperiode in der nördlichen Region und führen zu einer prekären Ernährungslage in einem Staat, in dem ohnehin schon 3 Millionen Menschen, d.h. 6% der Bevölkerung, an Hunger leiden. Diese Dürre führt zu Viehsterben und löst eine Knappheit in der Milchproduktion aus: Den Bauern und Bäuerinnen wird so jegliche Ernährungsgrundlage entzogen und Konflikte um Viehdiebstahl in den Grenzregionen sind die Folge, berichtet Nerima Wako-Ojiwa, Geschäftsführerin von Siasa Place, Kenia.
Wie Staatssekretärin Dr. Kofler betonte, ist durch die Häufung von Konflikten das Thema Hunger verstärkt in den Mittelpunkt gerückt.
Sowohl die Weltgemeinschaft als auch die einzelnen Nationalstaaten müssen mehr Anstrengungen auf politischer, aber auch praktischer Ebene unternehmen, um der zunehmenden Zahl an Hungernden etwas entgegenzusetzen.
Die Selbstverpflichtung der G7- Staaten, 500 Millionen Menschen bis 2030 aus dem Hunger zu befreien, muss erfüllt werden. Dazu braucht es vor allem auch Einigkeit unter allen beteiligten Akteuren, welche mit entsprechendem Wissen und den notwendigen Finanzmitteln unterlegt werden muss. Ein menschenrechtsbasierter Ansatz ist dabei elementar. Menschen müssen über ihre Rechte informiert sein, um Politikwechsel aktiv einfordern und sich an den entsprechenden komplexen Diskussionen angemessen beteiligen zu können. Menschenrechte müssen auf nationaler Ebene in einen verbindlich rechtlichen Rahmen gegossen werden, beispielsweise durch Lieferkettengesetze oder eine entsprechende europäische Richtlinie.
Damit gerade auch junge Menschen in ländlichen Gebieten ihre Innovationskraft ausschöpfen und die Rechenschaftspflicht der Regierung einfordern können, müssen sie darin bestärkt werden eine Vorreiterrolle einzunehmen, so Nerima Wako-Ojiwa. Das Beispiel Kenia zeigt jedoch, dass die politische Bildung von Jugendlichen oft gänzlich der Zivilgesellschaft überlassen wird und entsprechende finanzielle Mittel völlig unzureichend sind. Um Krisen begegnen zu können, braucht es eine entschlossene Haltung und zusätzliche Ressourcen, die koordiniert und wissenschaftsbasiert investiert werden müssen. Die G7 sind deshalb dazu aufgerufen, sich im Nachgang des UN FSS entschieden bei den hieraus hervorgehenden Diskussionen zur Umsetzung von „Nationalen Pathways“ zu engagieren, so Dr. Stefanos Fotiou. Gastkommentator Dr. Lawrence Haddad, Exekutivdirektor der Global Alliance for Improved Nutrition (GAIN), fordert die G7-Staaten im Nachgang des UN FSS dazu auf, sich der im Aufbau befindlichen Zero Hunger Coalition anzuschließen, um die Transformation der Ernährungssysteme voranzutreiben.
Nur ein breites Bündnis aus Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen, Nationalstaaten, Wissenschaft und Privatwirtschaft kann mit aller Macht gegen den Hunger ankämpfen, so Mathias Mogge.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Transformation der Ernährungssysteme“ kann nur mit starken Partnerschaften gelingen, dafür braucht es auch von den G7-Staaten ein klares Zeichen für eine langfristige Verpflichtung.
Mehr Informationen zu der Einschätzung rund um die aktuelle Nahrungsmittelpreiskrise finden Sie zum Beispiel im Policy Brief „Mit den Preisen steigt der Hunger“.
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*Hoffmann, H, Hanano, A. & Klaus, L.M. (2021): Wo bleibt die Trendwende im globalen Ernährungssystem? Der United Nations Food Systems Summit 2021. Ernährung im Fokus 4, 290/291. Link hier.
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